„AFRIKA“ - hautnah - Bericht 4


 

 

 

 

 

Zum Herzen Afrikas – zum Viktoriasee

 

 

 

 

 

Route: Somaliland – Äthiopien – Kenia- Tansania - Kenia vom 26.04.2011 bis 26.07.2011

 

 

 

 

 

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Somaliland – ein Land, das es nicht gibt

 
Als wir unser Somalilandvisum in Dschibuti beantragen, erhalten wir die Visumsnummern 5 und 6. Das bedeutet garantiert touristenfreie Zone. Und obendrein bekommen wir eine Sondergenehmigung, dass wir mit dem eigenen Auto einreisen dürfen.

 

Somaliland hat einen Präsidenten, eine Flagge, eine Währung, eine Armee und sogar eine demokratische Staatsform.
 

Trotzdem findet man es auf keiner Karte. Es ist nirgends als Land registriert und weitgehend unbekannt. Das krisengeschüttelte Bruderland Somalia dagegen ist durch Bürgerkrieg und dadurch verursachte Hungersnöte sowie als Terroristenland ständig in den Weltschlagzeilen.

 

Der Norden Somalias hat sich bereits vor 20 Jahren für eine friedliche Zukunft entschieden. Er spaltete sich von Somalia ab und rief den demokratischen Staat Somaliland aus.

 

Überbleibsel vom Freiheitskampf

 

Diesen Ruf hat die internationale Völkergemeinschaft jedoch bis heute nicht gehört. Obwohl das kleine Land für afrikanische Verhältnisse ein Musterknabe ist, wird es von der Weltöffentlichkeit nicht anerkannt.
 
Die Grenzformalitäten sind überraschend schnell erledigt und durch geschickte Verhandlungen können wir die vorgeschriebene Mitnahme eines Soldaten in unserem Auto vermeiden.

Was treibt uns in dieses kuriose Scheinland mit nur drei Millionen Einwohnern? Garantiert nicht die mörderische Hitze. Denn 55 °C bei 95 % Luftfeuchtigkeit bedeuten ununterbrochenes Schwitzen, auch bei Nacht. Nicht nur für uns, sondern auch für die Einheimischen!

 

Nein, es ist „Las Geel“, ein versteckter archäologischer Diamant. Erst im Jahr 2003 wurden die weltweit besterhaltenen, neolithischen Felsmalereien entdeckt.

 

Überall, wo wir in Somaliland auftauchen, werden wir willkommen geheißen und per Handschlag mit einem strahlenden „Salama“ begrüßt.

In der Hauptstadt Hargeisa wird unser Auto von drückenden und schiebenden Menschenmassen belagert, so dass uns die Polizei einen Weg zu unserem HZJ bahnen muss.

 

Als wären wir von einem anderen Stern

 

Tatsächlich sind Touristen hier Exoten. Denn die Presse berichtet ausführlich über unsere Anwesenheit. Sogar der Vizepräsident – der Präsident ist gerade im Ausland – lädt uns zu einem Interview ein, als wären wir Staatsgäste. Dabei wünscht er sich nichts mehr als internationale Anerkennung und internationale Investoren.
 
Las Geel erreichen wir auf übler Steinpiste. Und wir sind überwältigt! Unter einem riesigen Felsüberhang strahlen die uralten Tier- und Menschendarstellungen, als wären sie gestern gemalt worden.
 

Las Geel für uns allein

 

Prähistorische oder moderne Kunst

 
Die Hafenstadt Berbera verlassen wir nach einem Tag fluchtartig. Diese schwüle und feuchte Hitze ist unerträglich. Unvorstellbar wie Menschen an einem solchen Ort existieren können.
 
Kurzinfo Sudan, Stand April 2011    
1 Euro 7.800,-- Shilling    
1 kg Tomaten 4.000,-- Shilling    
1 Brot 500,-- Shilling    
 
Ein- und Ausreise: Professionelle Einreise über Togochale, Schreiben vom Konsul erforderlich wegen Autoeinreise. Carnet ist notwendig und wird akzeptiert. Ausreise über Guelill in unglaublichen 5 Minuten.
 

 

Äthiopien – die letzte

 

Wieder zurück in Äthiopien erwarten uns in Harer, einer der ältesten Städte Äthiopiens, akzeptable Temperaturen.

 

Harer hat mehrere Besonderheiten.

Für Afrika untypisch wird die Altstadt von einer hohen Schutzmauer umschlossen. In der nur 1-km2–großen Stadt leben 35.000 Menschen wie Heringe in der Dose. In den engen verwinkelten Gassen drückt sich Haus an Haus.

 

In Harer auf einer Zeitreise ins Mittelalter

 

Doch das Spektakulärste ist der Hyänenmann, der einen alten, seltsamen Brauch pflegt. Jeden Abend füttert er wilde Hyänen, die auf seinen Zuruf zum Platz vor seinem Haus kommen. Sie holen sich das Aas von einem Holzstäbchen, das der Hyänenmann mit den Zähnen festhält.

 

Und das Unvorstellbare, sie wagen sich sogar in unser Auto.

 

Der Hunger treibt die Hyänen sogar in unser Auto

 
Dieser Brauch führt in eine Zeit zurück, als die Hyänen nachts in die Stadt eindrangen und aus Hunger sogar Kinder angriffen. Deshalb fütterten die cleveren Einwohner die Tiere vor der Stadt und wendeten so die Hyänengefahr ab.
 

Alles in allem waren wir zehn Wochen in Äthiopien, vier Wochen länger als gedacht. Doch dieses wunderbare Land mit seinen bizarren einzigartigen Landschaften und herrlichen Bergen, seinem Kulturenmix sowie seinen noch weitgehend natürlich lebenden Stämmen im Süden haben diese Zeit gefordert.

 

Mit extremen Erfahrungen und unglaublichen Erlebnissen hat uns dieses Land begeistert. Schweren Herzens ziehen wir nun Richtung Kenia weiter.

 

 

Rutschpartie nach Kenia

 

Und die ist überhaupt nicht lustig!

Die Route entlang des Turkanasees ist wegen starker Regenfälle unpassierbar. Also müssen wir über die berüchtigte Marsabitstrecke nach Kenia reisen. Den Grenzort Moyale erreichen wir auf Teerstraße bei schönstem Wetter. Kaum haben wir den Schlagbaum passiert, wird die Straße zur Piste und binnen Sekunden stürzen Wassermassen vom Himmel. Zum Glück ist die Erdpiste mit Steinen unterfüttert, so dass wir noch einigermaßen vorwärts kommen.

 

Noch wissen wir nicht, was uns erwartet

 

Der Regen hört auf und die Nacht legt sich mit afrikanischer Geräuschkulisse über die Wildnis. Bei diesen aufgeweichten Böden ist ein Bush-Camp unmöglich, deshalb übernachten wir direkt neben der Piste. Am Morgen ist die Piste dann etwas abgetrocknet und wir sind bereit für 250 km Erd- und Wellblechpiste.  Das lange und gnadenlose Wellblech der Marsabitstrecke soll schon so manches Auto zerlegt haben. Aber wir haben ja einen Toyota Landcruiser!

 

Kaum sind die Räder ein paar Meter gerollt, beginnt es zu tröpfeln und nach kurzer Zeit können die Scheibenwischer die Wassermassen nicht mehr bewältigen. Zuerst entstehen nur zwei kleine Spurrillenbächlein, doch dann wird der Weg zu einem kleinen Fluss bei absolut schlechter Sicht.

 

Die hohe Luftfeuchtigkeit macht aus der Windschutzscheibe Milchglas

 

Dabei sind die entgegenkommenden LKWs das große Problem. Sie driften mit dem Heck auf dieser Schmierseifenpiste in den Graben und pflügen den Weg zu einem Acker um, bis sie mit durchdrehenden Rädern quer hängen bleiben.

Nach einer Stunde Sintflut haben auch wir trotz Allrad die größten Probleme, nicht von der Straße in den Graben abzuschmieren. Die kleinste Steigung wird zur Zitterpartie. Lange geht das nicht mehr gut! So sieht das auch der Regengott. Denn von einem Meter zum nächsten hört es zu schütten auf und ab Turbi ist die Piste bei strahlendem Sonnenschein knochentrocken und hart. Endlich verfolgt uns wieder die gewohnte Staubwolke.

Links und rechts der Straße treffen wir vermehrt auf Rendille.

 

Rendille-Frau an der Marsabitstrecke

 
Sie leben in einer Steinwüste und ihre fensterlosen, dunklen Nomadenzelte schützen sie vor der brennenden Sonne. Das Wasser kommt aus Brunnen. Die verhältnismäßig großen Tierherden werden getränkt und Esel schleppen in 20-Liter-Kanistern das kühle Nass zu den Zelten.
 
Nach eineinhalb Tagen ununterbrochener Rüttelei erreichen wir Marsabit, eine grüne Oase. Unser Toyota zeigt keine Schwäche, jedoch der Dotter in den Eiern. Er hat sich mit dem Eiweiß vermischt und kann gleich als Rührei serviert werden. Ab jetzt heißen solche Pisten bei uns „Rühreipiste“.
 
Etwa 100 Kilometer parallel zur äthiopischen Grenze fahren wir durch den wilden Norden Kenias und durchqueren auf dem Weg nach North Horr die Chalbi Staubwüste.
 

Die Chalbi Wüste, hier ziehen wir die mit Abstand längste Staubfahne hinter uns her

 
Nomaden treiben ihre überraschend gut genährten Rinder durch das Ödland. In den beiden einzigen Orten Maikona und Kalacha finden wir ausreichend Gemüse, Kekse und Güter des täglichen Lebens.
 
In North Horr gibt es eine katholische Mission der Diözese  Augsburg. Ein gottverlassener Landstrich – hätte ich beinahe gesagt, aber nur beinahe - denn hier missionieren seit über 15 Jahren Pater Hubert aus der Nähe von Memmingen und Pater Anton aus Schrobenhausen.
 

Hier arbeiten Father Anton und Father Hubert

 
Pater Hubert schickt uns, nachdem wir durch gute bayerische Hausmannskost gestärkt sind, weiter nach Loyangalani am Turkanasee. Dort beginnt morgen ein großes Tanzfestival der verschiedenen Stämme. Hier werden wir auch Pater Anton treffen, der eine Gruppe Rendille dorthin gefahren hat, die am Festival teilnimmt.
 

 

Der Turkanasee – Hitze, Krokodile und bunte Völker

 
Die Gegend um den größten permanenten Wüstensee der Erde ist windig, heiß und trocken.
 

Ständiger Wind und Hitze zwingen gnadenlos jede Akazie in die Knie

 
Wir sind erstaunt, dass hier überhaupt Menschen leben, denn wir entdecken nur einige Akazien und Gräser zwischen den Lavafeldern, über die sich viele erloschene Vulkane erheben.
 

Der unwirtliche Turkanasee gilt als größter Wüstensee

 
Doch gleich fünf Volksgruppen sind am unwirtlichen Ufer des Lake Turkana zu Hause: die Turkana, Samburu, Rendille, Dasanach sowie die El Molo
 

Nur junge Samburu-Mädchen dürfen sich so aufwändig schmücken

 

Turkana-Mann

 
Doch Hausherr ist hier eine ganz andere Spezies, das Krokodil.
 

Sollte einer dieser Waffen abbrechen, schiebt sofort eine neue nach

 
Mit 12.000 Reptilien ist es die größte Anhäufung in ganz Afrika.
 
Loyangalani ist nun wirklich gottverlassen, doch halt, auch hier gibt es eine Mission. Aber für 3 Tage im Jahr zeigt sich das Wüstennest kunterbunt. Viele bemalte Menschen mit Federschmuck, Fellmützen oder mit von roter Erde gefärbten Haaren flanieren die Straße entlang. 
 

Samburukrieger – jung und stolz

 
Stolz, in farbenfroher Kleidung und mit ihren Waffen machen sie sich auf den Weg zum Tanzkral.
 

Auf dem Weg zum Tanzkral

 
Am meisten fasziniert mich der Tanz der Dasanach. Vom Takt getragen, taumeln, springen oder stampfen sie mit einem Lächeln auf den Lippen ohne einer gemeinsamen Bewegung zu folgen.
 

Afrika hautnah

 
Drei Tage genießen wir die Menschen und ihre Kultur. Dann zieht es uns am Ufer entlang weiter zu den El Molo, einem kleinen Fischervölkchen mit etwa 500 Menschen.
 

Einfacher zu leben, ist kaum noch vorstellbar

 
Als erstes müssen wir zum „Ältesten“. Er entscheidet, ob wir bleiben dürfen.
 

Ein Greis entscheidet, ob wir bleiben dürfen. Hier wird Alter und Erfahrung geschätzt

 
Wir dürfen! Sie zeigen uns ihre Hütten. Als wir Fische kaufen wollen, sagen sie enttäuscht, dass sie nur Trockenfische haben.
 

Ihren letzten Trockenfisch werden wir nicht kaufen

 
Denn trotz Hochsaison fangen sie zurzeit extrem wenig Fische. Warum das so ist, wissen sie nicht. Sie vermuten, dass es an einem Staudamm des Omoflusses liegt, der den Turkana speist. Sie machen sich große Sorgen, denn sie haben nichts außer dem Fisch. Und wenn der ausbleibt, kommt der gnadenlose Hunger.
 
Erschüttert fahren wir am Seeostufer weiter Richtung Süden nach South Horr. Immer wieder fragen wir nach frischem Fisch für unsere Küche. Aber der Pfanne bleibt leer.
 
Wieder zeigt sich, dass Eingriffe in ein diffiziles Ökosystem für die Menschen unkalkulierbare und katastrophale Folgen haben.
 

Was bringt die Zukunft für den kleinen El Molo

 
Wir sind uns sicher, die schlechtesten Pisten gesehen zu haben – ein großer Irrtum! Von South Horr über Baragoi nach Maralal brauchen wir für etwa 170 km zwei Tage.
 

Langsamer als ein Fußgänger

 
Steile Kletterpassagen über Felsabsätze gefolgt von knietiefen Auswaschungen quer zur Piste fordern von Technik und Fahrer bei hundertprozentiger Konzentration das Äußerste. Ein Fahrfehler im dünn besiedelten Nordkenia hätte unabsehbare Folgen. Solche Wege, die diesen Namen nicht verdient haben, überfordern eigentlich unseren schweren Landcruiser. Trotzdem hat er die extreme Herausforderung ohne Murren gemeistert.
 

Nerven und Zeit, das einzige, was hier hilft

 

 

An den Steilstufen des Ostafrikanischen Grabens

 

Kurz vor Maralal steuern wir den „World Ends Viewpoint“ an. Dort eröffnen sich phantastische Ausblicke in und über den „Afrikanischen Grabenbruch“, auch Rift Valley genannt.

 

Die riesige, 5.000-km-lange Erdspalte ist das Ergebnis zweier bis heute auseinander driftenden Erdschollen. Der Bruch ist zwischen den Rändern über 60 km breit und bis zu 1.000 m tief. Von hier oben erspähen wir unser nächstes Ziel, den Bogoria See.

 

Der ostafrikanische Grabenbruch ist noch immer in Bewegung

 

In Maralal können wir nach langer Zeit wieder Emails abrufen. Im Posteingang finden wir das Manuskript unseres Buches „Auszeit am Baikalsee – 1 Jahr am Limit“.

 

Unglaublich, doch das Mail kommt an

 
Der Verlag bittet um eine letzte Durchsicht, denn das Buch soll Ende September zur Buchmesse erscheinen. Das bedeutet lesen, lesen und nochmals lesen.
 

Niemals hätten wir geglaubt, wie viel Arbeit ein Buch macht und wie lange es dauert, bis es endlich im Regal steht

 

Den Lake Bogoria erspähen wir erst, als wir direkt vor ihm stehen. Versteckt durch die wilden, abweisenden Bergflanken des Grabenbruchs liegt er in einer tiefen Senke.

 

Die Ufer des alkalischen, blauen Sees strahlen leuchtend rosa in der Abendsonne. Mit offenem Mund staunen wir über das Highlight dieses Sees: Mehrere hunderttausend filigrane Flamingos bevölkern schnäbelnd und schnatternd das flache Uferwasser.

Eilig schnappe ich meine Fototasche und Heti den Kamerarucksack. Wir müssen uns beeilen, denn das fotogene Abendlicht wird bald verschwunden sein.

 

Da der Uferbereich sumpfig ist und die Flamingos etwa 200 Meter davon entfernt sind, wähle ich einen Weg durch den Bach. Heti nimmt den direkten Weg und versinkt bis zu den Hüften im modrig stinkenden Schlamm. Je mehr sie sich bewegt, umso schneller nähert sie sich dem Erdmittelpunkt. Ich habe Angst, dass sie ganz versinkt. Doch sie schimpft wie ein Rohrspatz und schreit, ich soll ihr endlich helfen. In ihrer Wut vergisst sie, dass ich viel schwerer bin als sie und vom Schlamm noch schneller verschluckt würde.

Ich bin ratlos. Sie schreit um Hilfe, jedoch mir sind die Hände gebunden.

 

Endlich hört sie auf mich und benützt ihre Hände. So kann sie sich langsam aus dem Schlamm wühlen. Die letzten 20 m kriecht sie auf allen Vieren durch den Morast. Wortlos und stinksauer erreicht sie mit nur einer Sandale festen Untergrund. Fuchsteufelswild schmeißt sie die andere Sandale ebenfalls in den Sumpf. Meine Frau, die Dreck hasst, sieht aus wie ein Wildschwein nach der Suhle.

 

Ich mach eilig meine Bilder, denn es beginnt zu allem Übel bei starkem Wind zu regnen. Aber dieses Mal gehen wir gemeinsam zurück und erreichen nass wie gebadete Mäuse das Auto.

 

Und das alles für dieses Bild!

 

Auf diese kleine Insel im Sumpf konnte sich Heti retten

 

Hier im Grabenbruch ist die Erdkruste äußerst dünn. Überall blubbert heißes Wasser aus dem Boden. Geysire jagen ihre Dampffontaine in den unwirklichen Morgenhimmel.

 

Bei diesem Geschnatter versteht man sein eigenes Wort nicht

 
Neben Zebras, Vogelstrauß und Impalas können wir uns an den feingliedrigen Flamingos nicht satt sehen.
 

Ein graziöser Solotänzer

 

Ab dem Lake Bogoria sind Auto und Fahrer wieder happy. Denn lautlos wie auf Wolken schweben wir auf Asphalt nach Nairobi. Nach 1.000 Kilometern oft nur in Schrittgeschwindigkeit erzeugen 80 km/h einen unerwarteten Geschwindigkeitsrausch.

 

Lange, mühsame und anstrengende Wege sind unser Preis für Neugier und „Afrika hautnah“.

 

In Nairobi interessiert uns hauptsächlich das „Giraffe Centre“. Hier wird die beinahe ausgestorbene Rothschildgiraffe gezüchtet und wieder ausgewildert.

Acht Weibchen müssen sich ein Männchen teilen, der mit seinen Damen einiges zu tun hat. Diese neun Giraffen bleiben für immer im Centre. Sie sorgen für den Nachwuchs und sind außerdem zum Auswildern zu alt. Sie haben sich zu sehr an Menschen gewöhnt. Deshalb sind die wunderschönen Tiere fast zahm. Sie lassen sich von uns füttern und berühren.

 

Was dann geschieht, war bis dahin für mich unvorstellbar!

Entsprechend der Anweisung des Rangers klemmt Heti sich ein Stückchen Trockenfutter zwischen die Zähne.

 

Daisy ist ganz gierig…

 

Darauf hat Giraffendame Daisy nur gewartet. Ihr riesiger, vielleicht 50-cm-großer Giraffenkopf neigt sich aus 5,5 Metern Höhe hinab zu Heti. Daisy streckt ihre lange, blaue, schleimige Zunge heraus und schleckt das kleine Stück Pellet unter dem Applaus des Rangers von Hetis Mund.

 

Ich sehe es und glaub es nicht! Doch Bilder lügen nicht.

 

…auf ein Küsschen von Heti

 

Nach diesem außergewöhnlichen Ereignis brechen wir auf zum Tiwi-Strand südlich von Mombasa.

Am Wegesrand begegnen wir Kikuyukriegern, die für ein Foto zeigen, wie mutig und gefährlich die Kikuyus waren.

 

Furchtlos zogen die Kikuyus in den Kampf

 


 

Tiwi Beach - der Olymp der Erholung

 

Kitschig wie eine Postkarte, aber mindestens so schön

 
Hier genießen wir nicht nur die Ruhe und das Frühstück am Strand, …
 

Hier fließt garantiert kein Tropfen Schweiß

 

…sondern vor allem kulinarische Hochgenüsse wie Lobster, Garnelen, Kalamari, Oktopus und Red Snapper.
 

Vier auf einen Streich

 

Eigentlich genießen wir nicht, wir schlemmen. Frühstück im Wasser, zum Mittagessen vier Lobster, abends Red Snapper und zwischendurch exotische Früchte.
 
Und alles wird uns täglich fangfrisch bzw. frisch vom Baum angeboten.
 
Velvet-Affen huschen den ganzen Tag durchs Geäst und amüsieren uns nicht nur durch ihre Akrobatik.
 

Schön muss man nicht sein, nur auffallen

 

Aus drei bis vier Relaxtagen am Tiwi Beach, die wir nach zehn Monaten intensiven Reisens dringend brauchten, werden zehn Tage und wir haben Probleme, uns von diesem Paradies wieder loszureißen.
 
Auf dem Markt in Mombasa versorgen wir uns mit frischem Obst und Gemüse. Ein ganz eifriger Händler kann nicht glauben, dass wir nichts mehr brauchen. Verkaufstüchtig bietet er Mangos, Kochbananen, Ladyfingers und Passionsfrüchte an. Auf unser „Nein danke“, meint er – oder vielleicht doch Marihuana?
 

 

Störe nie Elefanten beim Schlafen

 

Vom Mombasa-Highway biegen wir links ab Richtung Kilimandscharo und durchqueren die Serengeti Plains bis zur tansanischen Grenze. Vor Oliotoktok bricht die Nacht herein und wir brauchen in dieser dicht besiedelten Gegend einen Übernachtungsplatz. Vor einer Shamba, einem winzigen Bauernhof, fragen wir. Natürlich dürfen wir hier übernachten – wie immer!

Und wie immer steht beim Frühstück die ganze Familie vor dem Auto.

 

Ich glaube, sie scherzen, als sie fragen, ob wir nachts die Elefanten hinter unserem Auto gehört haben. Doch sie zeigen uns die frischen Spuren.

Und wo sind die Elefanten jetzt, will ich wissen? Sie sind nicht weit von hier und sie könnten mich mit dem Moped ganz nahe zu ihnen bringen, wenn ich möchte.

 

Und ob ich will! Zu dritt düsen wir auf einem Moped durch Akaziensavanne und Schlaglöcher, dass das Gefährt nur so knirscht und ächzt.

 

Der Kleine hinter mir freut sich über den Windschatten

 

Plötzlich stoppt der Fahrer. Wir können die Elefanten bereits riechen. Zu Fuß schleichen wir weiter durch Dornengebüsch. Ein Begleiter zieht mich schnell hinter einen Termitenhügel. Denn da stehen sie, regungslos, vielleicht 50 Tiere im Schatten unter Bäumen.

 

Wir haben Glück, der Wind steht gut und die Elefanten halten gerade ihren Mittagsschlaf. Elefanten schlafen im Stehen.

 

Ein Scout flüstert, sie wollen mich noch näher bringen. Sollte dabei der Aufpasser, ein riesiger Elefantenbulle am Rande der Herde, uns bemerken, sind die Bäume direkt hinter uns der einzige Zufluchtsort.

Äußerst vorsichtig nähern wir uns auf allen Vieren, bis wir vielleicht noch 20 Meter entfernt sind.

 

Rechts der Aufpasser schläft garantiert nicht

 

Urplötzlich trompetet und gurgelt der Aufpasser in unsere Richtung. Er hat uns bemerkt. Die Herde wird unruhig und rennt davon. So schnell wie möglich klettern wir auf einen Baum. Dabei rutsche ich ab und bremse mit dem Schienbein äußerst schmerzhaft in der Astgabel unter mir.
 
Der Leitbulle schnaubt und wedelt mit seinen gewaltigen Ohren und stoppt in etwa zehn Meter Abstand. Mir steckt das Herz im Hals und ich mach beinahe in die Hose. Es dauert eine Weile bis der Bulle abzieht und seiner Herde folgt.
 

Entwarnung, runter vom Baum, der Leitbulle ist außer Sichtweite

 
Für meine Scouts ist das offensichtlich Alltag, denn sie leben täglich mit den Elefanten hautnah. Auf dem Weg zurück zum Moped erzählen sie, dass hier die Menschen oft von Elefanten angegriffen und getötet werden, vor allem Kinder, die im Busch spielen und dabei die Elefanten übersehen.
 

 

Die Hatz beginnt

 

Nach dieser unvergesslichen Mopedsafari machen wir uns über Narok auf den Weg in die „Loita Plains“. Dort liegt auch der Masai Mara Nationalpark. Doch 120 Dollar Tageseintritt sind für unser Budget zu viel. Wir wissen aber, dass es auch außerhalb des NP sehr viele Tiere geben soll.

 

Noch auf der Hauptstraße müssen wir aufpassen, dass wir die querenden Zebras nicht überfahren.

 

Aber hier ist doch kein Zebrastreifen

 

Auf Sand- und Lehmpisten durchqueren wir die Loita Plains. Gnus grasen neben der Piste, Impalas ziehen friedlich vor unserem Auto über den Weg und ein Kronenkranich versorgt seine Jungen.
 

Der Kronenkranich ist ein richtiger Schönling

 
In einer Herde Leierantilopen heben einige Kaffernbüffel drohend und schnaubend den Kopf. Ich will nicht den gleichen Fehler wie bei den Elefanten machen und wir bleiben auf Distanz.
 

Stopp, sonst gibt’s Ärger

 

Zwei Giraffen dagegen sind mutig und genießen, dass sie fotografiert und gefilmt werden.
 

Was will denn der Winzling hier

 
Dann entdeckt Heti ca. 5 Meter neben der Piste einen Gepard und unweit davon sechs weitere.
 

Bereit zur Jagd

 

Regungslos hat der Anführer etwas im Fokus. Seine sechs Begleiter starren in dieselbe Richtung.
 

Die Hatz beginnt

 

Spannung liegt in der Luft. Wie ein Pistolenschuss springt der Leitgepard los und der Rest der Meute folgt. Im Flug packt der Anführer die erstarrte Thomsongazelle und hält sie in seinen Fängen.

Das gesamte Rudel stürzt sich auf das wehrlose Tier.

 

Langsam, langsam, jeder bekommt seinen Teil

 

Ein letztes Aufbäumen, doch der Feind ist übermächtig. Ich bin überrascht, die Gazelle bekommt keinen Gurgelbiss wie im Fernsehen. Sie schreit herzzerreißend, während sie lebendig aufgefressen wird, bis das Wimmern endlich verstummt.
 

Gesetz der Wildnis: Fressen und gefressen werden

 

Es wird dunkel und die Meute zieht weiter. Ich glaube, die Natur hat uns heute etwas Spektakuläres gezeigt. Ein „kill“ mit gleich 7 Geparden ist äußerst selten.

Von der Schnelligkeit der Geparde sind wir fasziniert und vom Leiden der Gazelle schockiert.

 

 

Big Migration – der lange Marsch

 

Ein Stück weiter südlich findet ein weiteres Naturereignis statt: die größte Wildwanderung der Erde.

Es ist ein Naturwunder, wenn Millionen von Weißbartgnus, Zebras und Antilopen nach immer neuen, saftigeren Weidegründen suchen.

 

Das wollen wir sehen!

Das Dumme ist nur, der Tiertrek soll zurzeit etwa 150 Kilometer weiter südlich durch die Serengeti ziehen. Das bedeutet für uns einen Riesenumweg und zwei zusätzliche Grenzübergänge. Außerdem fallen 140 Dollar NP-Gebühren an, die wir normalerweise meiden, wie der Teufel das Weihwasser. Denn wir hatten bisher viele große Tiererlebnisse auch außerhalb der Nationalparks.

Trotzdem beißen wir in den sauren Apfel und erreichen tatsächlich nach einer Woche – natürlich auf überwiegend miserablen Pisten - im Norden der Serengeti die Tierwanderung.

 

Sie schauen immer so traurig

 

Große Gnugruppen ziehen über die Hügellandschaft. Sie grunzen und blöken, während sie sich ununterbrochen vorwärts fressen.
 

Der Instinkt zeigt ihnen den Weg

 

Sie haben zurzeit Junge und das bedeutet, der Nachwuchs ist für viele Raubtiere leichte Beute. Vor allem Raubkatzen folgen dem gefüllten „Fleischtopf“. Hier gibt es für wenig Aufwand einen vollen Magen.

 

Trächtig oder überfressen

 
Am Abend verlassen wir den NP und suchen uns ein Bush-Camp. Hier erleben wir einmal mehr „Afrika hautnah“: Gnus, Zebras und Giraffen ziehen vorbei, während wir zu Abend essen und den Sonnenuntergang genießen.
 

Schade, das Zirpen, Schreien und Brüllen ist leider nicht zu hören

 

 

Mt. Kenia – ich will es wissen

 

Zufrieden fahren wir wieder zurück nach Kenia zum Viktoriasee, wo wir in Kisumu einige Tage verbringen. Dann brechen wir zu unserem letzten Kenia-Highlight auf – zur Besteigung des Mt. Kenia.

 

Seit meinen großen Höhenprobleme am Mt. Everest standen keine Bergbesteigungen mehr auf dem Programm. Doch ich weiß, dass Heti hohe Berge liebt. Außerdem will ich testen, ob die Aussage der Ärzte stimmt, dass ich „höhenuntauglich“ bin.

 

Wir nehmen uns zwei Träger, sodass ich im Notfall mit einem absteigen kann.

 

Die Naro Moru Route im Osten des riesigen Bergmassivs ist unsere Wahl. Sie ist die kürzeste, steilste, aber auch schönste Route.

 

Auf 2.000 m machen wir einen Tag Pause zur Akklimatisation und ich beginne, diesen Bericht für die Website zu schreiben.

 

Für unsere Website-Leser geben wir alles

 

Nachdem Heti wie immer unsere Rucksäcke vorbildlich gepackt hat, fahren wir mit den beiden Trägern zur Met-Station auf 3.040 m. Zwecks Akklimatisierung wandern wir noch etwa 150 Höhenmeter hinauf. Wieder zurück am Auto stellen wir fest, dass die Luft bereits auf dieser Höhe für uns sehr, sehr dünn ist.

 

Auf unserer Route kann man alle Vegetationszonen sehen. Hier „unten“ auf der Met-Station ist Urwald, der von großem Bambus durchdrungen ist.

 

Auf 3.000 m eine grüne Hölle

 

Morgens um 7:30 Uhr brechen wir auf. Ich laufe äußerst langsam, auch Heti muss ganz schön schnaufen. Denn in letzter Zeit waren wir nur im Flachland unterwegs und haben deshalb Null Kondition.
 

Auf 4.000 m wird’s licht und Baumheide und Lobelien bestimmen die Vegetation

 

Die Naru Moro Route führt ununterbrochen steil bergauf. Lange Strecken müssen wir durch Moorlandschaft aufsteigen. Dabei passiert es! Zuerst löst sich Hetis rechte und keine 50 Meter höher die linke Schuhsohle. Das ist der Todesstoß für Hetis Gipfelglück und das sichere Ende der Tour.
 

Das Aus, erst die rechte, dann die linke Sohle

 

…und sie hat sich so auf den Gipfel gefreut.

 

Obwohl sie nur noch auf den Einlagen und etwas Polyesterschaum steht, will sie weiter zur Mackinder Hütte auf 4.300 m. Dabei hat meine Berghexe entgegen aller Erwartungen Kopfweh und muss am Ende mit jedem Höhenmeter kämpfen.

 

Das Ende der Qualen ist greifbar

 

Ich dagegen bin überrascht, dass ich außer leichtem Schwindel und Konditionsmangel keine größeren Probleme habe.

 

In der 4.000-Meter-Region wird die Vegetation immer eigenartiger.

 

Lobelia dekenii, sie produziert Frostschutzmittel, so dass das Wasser im Zentrum nicht friert

 

Hetis Gipfelglück rückt wieder näher, denn James, einer unserer Träger, will ihr seine, leider viel zu großen Schuhe, für den Gipfelsturm leihen.

 

Von der Mackinder Hütte aus steige ich mit Heti wieder zusätzliche 100 Höhenmeter auf, bevor wir uns schlafen legen.

 
Doch Heti offenbart mir, dass es ihr mit Kopfweh und Übelkeit so schlecht geht, dass sie morgen nicht mit auf den etwa 700 m über uns liegenden Gipfel kommen wird.
 

Wird zumindest einer den Gipfel erreichen

 

Der Gedanke, den Gipfel alleine in Angriff zu nehmen, gefällt mir überhaupt nicht. Frierend mummle ich mich in meinem Schlafsack und schlafe ein.

 

Entgegen allen Erwartungen wacht Heti am nächsten Morgen topfit auf – dafür hab ich Kopfschmerzen und merke, wie langsam mein Gehirn arbeitet.

 

Heti will auf den Gipfel. Doch ich zögere. Der Gedanke an eine Lunge voller Wasser am Mt. Everest sitzt zu tief. Doch wer aufgibt, hat verloren!!

Gemeinsam nehmen wir den Gipfel in Angriff.

 

Auch heute geht es ständig steil aufwärts. Ich gehe langsam und wir pumpen uns mit kurzen Pausen höher und höher. Obwohl die Kraft langsam zu Ende geht, fühlen wir uns beide zumindest nicht schlecht.

 

Die letzten 200 Höhenmeter sind am steilsten und etwas Klettern wird notwendig. Doch dann stehen – oder sitzen – wir beide überglücklich auf dem von Vögeln verschissenen Gipfel. Auf knapp 5.000 m Höhe genießen wir eine ¾ Stunde die Aussicht.

 

Und die Ärzte hatten nicht recht

 
Der Abstieg findet im Nebel statt und zieht sich in die Länge. Trotz zweier Sonnenbrillen übereinander sind meine Augen derart lichtempfindlich und brennen, dass ich kaum etwas sehe.
 

Der Berg fordert alles

 

Nach insgesamt drei Tagen erreichen wir wieder den Eingang zum Mt. Kenia Nationalpark. Und das Unglaublichste auf dieser Tour der Leiden war, dass wir zum ersten Mal in unserem Leben nach solch einer Anstrengung – und das total untrainiert – keinerlei Muskelkater haben, dank Hetis Wundermedizin. Zwei Tage vor der Mt. Kenia Tour nahmen wir „Arnica C200 Globuli“.

Vielleicht hilft es auch anderen. Schön wär‘s!

 

Kurzinfo Kenia, Stand Juli 2011

1 Euro

125,69 Kenia Schilling

 

 

1 Liter Diesel

100 bis 116 KSh

 

 

1 Brot

35 bis 60 KSh

 

 

1 Banane

5 bis 10 KSh

 

 

1 kg Kartoffeln

40 bis 80 KSh

 

 

 

Ein- und Ausreise: Einreise über Moyale okay, Roadtax von 40 $ für 1 Monat, Carnet erforderlich. Ausreise schnell und korrekt, Quittung über Roadtax wird kontrolliert.
 

Wir haben auf dieser Reise bisher 45.000 km hinter uns gebracht. Dabei hat der Kilometerzähler die 300.000-Marke überschritten.

 
Auch Kenia hat uns fasziniert, so wurden aus geplanten sechs Wochen, wieder 10 Wochen. Doch wir bereuen keinen Tag und zum Glück ist unser Rucksack immer noch voller Neugier und Zeit.
 
Unsere weitere Tour wird uns nochmals in den Norden Kenias, nach Lodwar führen. Von dort reisen wir nach Uganda, Ruanda und vielleicht Burundi. Aber dann müssen wir schleunigst nach Dar Es Salaam in Tansania, von wo aus wir am 22. September für sechs Monate nach Hause fliegen.
 

Nach fast 13 Monaten freuen wir uns unsagbar auf unsere Familie, natürlich besonders auf Toni und Maxi. Zudem wollen wir unser Buch persönlich in den Händen halten.

Bis zum nächsten Bericht, der zuhause geschrieben wird.

 

Jambo aus Kisumu am Viktoriasee

Herta und Werner

 
 

Photos & Copyright © H+W Beck 2011