Baikalsee Live


         
    Bericht 7 - 28.01.2008    
-35°C und ein Mausefallen-Problem
 
 

Jetzt weiß ich, warum ich seit dieser Kälte keine Maus mehr erwische. Alle Mäusefallen in meiner Jurte frieren ein. Obwohl in Sibirien gekauft, sind sie anscheinend nicht tieftemperaturgetestet.

   

   

Mausefalle - scharf aber vereist

   
             

Spaß beiseite und zu wirklich Wichtigem. Ich bin glücklicher Opa.

Meine Tochter Melanie war zwar äußerst ungeduldig, hat aber den Geburtstermin eingehalten.

Was gibt es Schöneres, als Toni, den süßen und gesunden Wonneproppen auf dem Arm zu halten und mit ihm zu schmusen. Dieses kleine Menschlein ist die 5-tägige Anreise wert.

             
             

Das tut uns beiden gut - Becky und Toni

 

Die Welt der Eiligen reißt mich schnell wieder mit. Vieles ist zu erledigen und zu besorgen: ein neuer Pass, ein neues Visa, Diabetesmaterial, vieles Sinnlose und manches Wichtige. Den Einladungen der Freunde folgen – es gehört zum Wichtigen – genieße ich besonders. Aber das allerbeste ist, wieder bei meiner Familie zu sein.

             

Viel zu schnell vergehen die 4 Wochen daheim. Am 15. Dezember heißt es schon wieder Abschied nehmen. Mit schwerem Herzen, aber neugierig auf den sibirischen Winter, steige ich ins Flugzeug.

             

Nach mehreren Etappen mit Flugzeug, Zug und Auto erreiche ich wieder Ust Barguzin. So schnell wie möglich möchte ich jetzt zu meiner Jurte. Der Plan ist, mit dem Schneemobil bis zum Steilufer und dann auf dem alten Ewenkenweg weiter mit Skiern zur Omulbucht – anstrengend, aber machbar. Am einfachsten wär natürlich der Weg über das Baikaleis, doch zu meinem Pech zerstörte ein Sturm vor 2 Tagen das Eis.

 

Nachdem das Schneemobil bereits nach 5 Kilometern gestreikt hat und über Nacht repariert werden musste, sitzen jetzt Sascha und ich endlich im Anhänger. Der sieht aus wie ein Sarg auf Kufen. Ein Nationalparkmitarbeiter startet das Fahrzeug und düst los. Bei – 20 °C, beißendem Gegenwind und immer wieder hart aufschlagendem Sarg geht’s Richtung Norden zum Aussetzpunkt.

Dort angekommen, prüfen Sascha und sein Kollege die Eisschicht. Sie ist nur 5 -10 cm dick. Viel zu dünn, um weiterzufahren – denke ich.

Eifrig diskutieren die beiden und schauen mich immer dabei an. Dann ein kurzes „Dawai“ – weiter! Ich zögere, denn ich habe Angst und sehe uns schon ins Eis einbrechen und samt Schneemobil im Baikal versinken. So was passiert ja schließlich nicht zum ersten Mal.

„ Dawai, Dawai“, rufen sie ungeduldig. Mit Vollgas preschen wir krachend übers Eis, und wie im Tiefflug geht es Richtung Jurte.

 

Die Höllentour von Ust Barguzin bis zur Jurte dauert lange 4 Stunden, doch dann ist das Ziel endlich erreicht. Als ich aus dem Sarg aussteige, bin ich vor Kälte steif. Weich und blau ist nur mein Hinterteil vom unsanften Gerüttel. Trotzdem bin ich froh und dankbar, dass die Beiden kein Risiko gescheut haben, um mir den mühsamen Landweg zu ersparen – so sind sie, die Sibiriaken!

             

Eine Woche hat es gedauert, bis ich am 22. Dezember wieder bei meiner Jurte ankomme. Dann die schlimme Nachricht, Max ist tot. Ein umfallender Holzstoß hat meinen lieben Mitbewohner erschlagen. Nun, ohne meinen lustigen Kater, auf den ich mich freute, bin ich wirklich alleine. Umso einsamer sind die Feiertage. Vor und während Weihnachten schneit es kräftig herrlichen Pulverschnee. Ich bin viel mit Schneeräumen beschäftigt und weiß bald nicht mehr, wohin damit?

             

Bis Mitte Januar fällt das Thermometer von –15 °C auf –35 °C, und die Verweilzeit auf dem vereisten Klo wird immer kürzer.

In der zweiten Januarwoche ist das Eis in der Bucht auf 20 – 30 cm gewachsen, und ich bin zu Fuß auf dem Weg zur kleinen etwa 4 km entfernten Kormoraninsel. Vor 2 Tagen hat es das letzte Mal leicht geschneit, so dass bisher eine dünne Schneeschicht auf dem Eis lag.  Aber dann komme ich zu einem etwa 20-m-breiten, dunkelblauen Streifen ohne eine einzige Flocke. Vorsicht - ich nehme meinen Eisstecher (ein Stiel mit einer schweren Eisenspitze, um Wasserlöcher in das Eis zu schlagen) und prüfe die Eisdicke. Beim ersten Stoß durchschlage ich unerwartet das etwa 2 – 3-cm-starke Eis, und mein Eisstecher verschwindet um ein Haar in den Tiefen des Baikals.

             

Puh, Glück gehabt! Ich will gar nicht dran denken, was passiert wäre, wenn....

Vorsichtig mach ich mich auf den Rückweg. Plötzlich kommt Nordwind auf, der immer stärker wird, und unter meinen Füßen knackt und pfeift das Eis so, als ob es jeden Augenblick aufbrechen will. Schnellstens laufe ich zum nächsten Ufer.

             

Nach kurzer Zeit hat das Wasser, das der Nordwind in die Tschivirkuj Bucht drückt, das ganze Eis zu etwa autogroßen Eisschollen zerstört.

             

Heute habe ich das ganze Glück für mich allein gepachtet.

             

Nach dem Sturm ist die Bucht unpassierbar, und ich bin wieder von der Außenwelt getrennt.

Langweilig wird es in der Omulbucht mit Holz einräumen, Kochen, Abspülen, Brotbacken, Waschen, Jurte sauber halten und Wasserloch schlagen, ganz bestimmt nicht. Aber diese Arbeiten müssen wie in jedem anderen Haushalt – nur ein wenig umständlicher -  leider erledigt werden.

             

Gerade habe ich in meine Wetteraufzeichnungen geschaut. Seit dem 1. Januar genieße ich mit nur 2 Tagen Unterbrechung, strahlend blauen, wolkenlosen Himmel. Deshalb bin ich jede freie Minute mit meinen Schneeschuhen in der tief verschneiten Taiga oder mit den Tourenskiern auf dem Baikal unterwegs.

 

Probleme gibt es nur mit den leckeren Fischen. Denn im Gegensatz zum Sommer habe ich bisher noch keinen einzigen in der Pfanne gebrutzelt. Obwohl ich etliche Stunden mit meiner kleinen Rute und den Kunstfliegen vor dem Eisloch verbracht habe - nichts. Es ist zum verrückt werden!

 
 

Eisfischen ist Geduldssache

 

Das Netzfischen unter Eis funktioniert auch nicht. Ich hab bisher noch nicht den Trick gefunden, wie ich die Leine zum Netz ziehen, von einem der etwa 1,5-m- entfernten Löcher durch das zwischenzeitlich 80-cm-dicke Eis zum nächsten bringen soll.

 

Natürlich werde ich es weiterhin probieren, vielleicht habe ich bis zum nächsten Bericht in ungefähr sechs Wochen eine Lösung gefunden und kann dann wieder Tag für Tag den guten Baikalfisch genießen. Freu mich schon darauf.

 
 

Bis dann

 

Werner

 

             

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